Bundesverfassungsgericht kippt Zweitwohnungssteuern

Viele Kommunen erheben eine Zweitwohnungssteuer von Menschen, die vor Ort nicht ihren Hauptwohnsitz haben. Denn je mehr Einwohner mit Hauptwohnsitz eine Kommune hat, desto mehr Geld bekommt sie aus dem kommunalen Finanzausgleich. Allerdings können solche Steuern unter Umständen verfassungswidrig sein, wenn der Bemessungsmaßstab veraltet ist.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: Zweitwohnungssteuer beanstandet

Viele Kommunen erheben eine Zweitwohnungssteuer von Menschen, die vor Ort nicht ihren Hauptwohnsitz haben. Denn je mehr Einwohner mit Hauptwohnsitz eine Kommune hat, desto mehr Geld bekommt sie aus dem kommunalen Finanzausgleich. Allerdings können solche Steuern unter Umständen verfassungswidrig sein, wenn der Bemessungsmaßstab veraltet ist.

Karlsruhe. Erhebt eine Kommune eine Zweitwohnungssteuer, darf sie für die Berechnung nicht die Einheitswerte für Immobilien aus dem Jahr 1964 zugrunde legen. Ein solches Vorgehen ist verfassungswidrig. Seit 1964 seien große Wertverzerrungen eingetreten, auch eine Hochrechnung mit Hilfe des Verbraucherpreisindexes könne das nicht reparieren. So hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, wie dieser Tage bekannt geworden ist (Beschluss vom 18.07.2019 zu Klagen mit den Az.: 1 BvR 807/12 bzw. 1 BvR 2917/13).

Die Entscheidung fällten die Verfassungsrichter, nachdem zwei Eigentümer geklagt hatten. Der Eine unterhielt einen Zweitwohnsitz in Sonthofen, der Andere in der Marktgemeinde Oberstdorf. Beide Orte liegen in Deutschlands südlichstem Landkreis, dem Oberallgäu (Bayern). Die Eigentümer gingen gerichtlich gegen die Zweitwohnungssteuern vor, die beide Kommunen erheben. Dabei berechnen sie die Höhe der fälligen Steuer anhand eines fiktiven jährlichen Mietaufwandes.

Um diesen fiktiven Mietaufwand zu ermitteln, ziehen die Gemeinden die fiktive Jahresrohmiete heran, die aus den Vorschriften zur Einheitsbewertung von Grundstücken hervorgeht. Es sind genau jene Einheitsbewertungen für Grundstücke, die in der damaligen Bundesrepublik zum 1. Januar 1964 festgestellt wurden und auf deren Grundlage bislang auch die Grundsteuer berechnet wird. Diese Praxis hatte das Bundesverfassungsgericht allerdings bereits für verfassungswidrig erklärt, weil die Werte so alt sind, dass sie mit der Realität nicht mehr viel gemein haben (wir berichteten).

Einheitswerte von 1964: Keine Besteuerung auf veralteter Grundlage

Sonthofen und Oberstdorf rechneten die fiktiven Jahresrohmieten von 1964 mit Hilfe der Mietpreissteigerungen aus dem Verbraucherpreisindex hoch. Die betroffenen Eigentümer hielten dieses Vorgehen allerdings für einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und damit für verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht sah es ganz genauso und kippte die Zweitwohnungssteuer in den beiden bayerischen Orten. Die Begründung ist die Gleiche wie seinerzeit schon beim Urteil des Gerichts zur Grundsteuer.

Seit 1964 ist einfach zu viel Zeit vergangen, wodurch es zu Verzerrungen bei den Grundstücksbewertungen gekommen ist, die vor dem Gleichheitsrecht nicht mehr gerechtfertigt seien. Eine Hochrechnung mit der Steigerungsrate der Mieten aus dem Verbraucherpreisindex ändert nach Ansicht der Verfassungsrichter nichts an diesen Verzerrungen, denn die Steigerungsrate ist ja für alle Immobilien am Ort identisch. Damit kann sie Wertverzerrungen zwischen den Gebäuden in der Kommune nicht ausgleichen.

Sonthofen und Oberstdorf dürfen ihre Zweitwohnungssteuern nach dem Urteil nur noch bis zum 31.03.2020 erheben. Für die Zeit danach müssen sie eine Neuregelung beschließen, wenn sie auf die Einnahmen nicht verzichten wollen. Nicht bekannt ist, wie viele weitere Kommunen ihre Zweitwohnungssteuer nach dem gleichen Prinzip erheben. Es ist durchaus möglich, dass einige Ortschaften in Deutschland jetzt ihre Zweitwohnungssteuern reformieren müssen. Dass die Länder den Kommunen die Erhebung solcher Steuern grundsätzlich zugestehen können, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung ausdrücklich bestätigt.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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