Kommt sie nun doch, die Sanierungspflicht für die am schlechtesten gedämmten Gebäude in Europa? Oder setzt sich am Ende doch der von der Bundesregierung inzwischen angestrebte Quartiersansatz durch? Diese für Eigentümer wichtige Frage scheint in den aktuellen Brüsseler Verhandlungen offenbar wieder offen zu sein. Es drohen Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe.
Brüssel. Zwangssanierungen von Millionen von Häusern in Europa in Folge der neuen EU-Gebäuderichtlinie sind offenbar doch noch nicht vom Tisch. Das zeigen Medienberichte zum aktuellen Stand des EU-Verfahrens zur Erstellung der umstrittenen Richtlinie. Das Verfahren befindet sich aktuell im sogenannten Trilog: Hierbei verhandeln das Europäische Parlament und der Ministerrat unter Vermittlung der EU-Kommission über eine Kompromissfassung für die geplante Richtlinie.
Dabei drängt die Kommission offenbar darauf, dass die ursprünglich angedachte Sanierungspflicht für Millionen von Häusern doch noch kommt. Wie der Spiegel aus einem internen Protokoll einer Arbeitssitzung des Trilogs zitiert, hält die Kommission am Grundsatz „worst first“ fest. Nach diesem Prinzip sollen die Gebäude mit dem schlechtesten energetischen Zustand als erstes saniert werden. Daraus würde sich ein unmittelbarer Sanierungszwang für bestimmte Gebäude ergeben.
Sanierungspflicht doch noch nicht vom Tisch
Der schien eigentlich schon vom Tisch zu sein, nachdem u.a. die deutsche Bundesregierung umgeschwenkt war und verpflichtende Sanierungen für einzelne Gebäude ausgeschlossen hatte. Im Oktober hatte es geheißen, man wolle es in der Richtlinie den Nationalstaaten selbst überlassen, mit welchen Maßnahmen sie die Klimaziele im Gebäudesektor erreichen wollen. Dabei war ein Quartiersansatz angedacht: Es könnte also vorgeschrieben werden, dass ganze Quartiere/Stadtteile bzw. Dörfer insgesamt bestimmte Klimaziele erreichen müssen.
Bei dieser Lösung müssten einzelne Gebäude auch bei besonders schlechtem energetischem Zustand nicht unbedingt saniert werden, wenn es im Quartier genügend moderne Neubauten mit sehr guter Energiebilanz gäbe. Doch offenbar will die EU-Kommission von dieser Kompromissformel nichts wissen. Die Frage birgt erheblichen gesellschaftlichen Zündstoff, weil Eigentümer, Vermieter und Mieter durch Zwangssanierungen finanziell überlastet werden könnten.
Finanzielle Überlastung von Eigentümern droht
Bei Gebäuden, die sich nicht ausreichend sanieren lassen, könnte gar der Abriss drohen. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) hat ausgerechnet, dass aktuell rund 50 Milliarden Euro jährlich in die energetische Gebäudesanierung fließen. Sollte die EU-Kommission sich durchsetzen, rechnet der GdW mit Kosten in Höhe von 130 Milliarden Euro jährlich. Es ist offensichtlich, dass damit die finanzielle Leistungsfähigkeit der Hauseigentümer überfordert werden dürfte.
„Die Bundesregierung muss jetzt Flagge zeigen und sich über ihren Sitz im Ministerrat in Brüssel mit Nachdruck für den Quartiersansatz stark machen“, forderte Erik Uwe Amaya, Verbandsdirektor von Haus & Grund Rheinland Westfalen angesichts der Medienberichte. Auch dem Klimaschutz sei nicht damit geholfen, wenn Verpflichtungen Gesetz würden, die sich von der breiten Masse der Eigentümer schon aus finanziellen Gründen gar nicht umsetzen ließen.
Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.
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