Was wiegt im Zweifel schwerer: Das Interesse des Eigentümers, auf seinem Dach eine Solaranlage zu installieren oder der Denkmalschutz, unter den das Gebäude fällt? Angesichts des Solar-Booms auf deutschen Dächern eine Frage, die immer öfter aufkommt. Sie landet auch immer öfter vor Gericht. In NRW gibt es jetzt ein lesenswertes Grundsatzurteil dazu.
Münster. Der Denkmalschutz steht der Installation einer Photovoltaik-Anlage in der Regel nicht im Wege. Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien wiegt nämlich regelmäßig schwerer, als die Belange des Denkmalschutzes. Dieses Grundsatzurteil hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen jetzt gefällt (Urteile vom 27.11.2024, Az.: 10 A 2281/23 bzw. 10 A 1477/23). In beiden Fällen hat das Gericht keine Revision zugelassen. Die unterlegenen Denkmalschutzbehörden könnten dagegen höchstens noch eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht einreichen.
Über einen der beiden Fälle hatten wir bereits am 1. Dezember 2023 berichtet, nachdem das Verwaltungsgericht Düsseldorf in der Sache erstinstanzlich entschieden hatte: Die Verwaltungsrichter gaben damals einer Eigentümer-Familie aus Düsseldorf Recht. Die Familie besitzt ein Einfamilienhaus in der Golzheimer Siedlung, die mit einer Denkmalbereichssatzung unter Denkmalschutz gestellt ist. Auf der Gartenseite ihres Satteldachs möchten die Eigentümer eine PV-Anlage installieren lassen, die vom Straßenraum aus teilweise sichtbar wäre.
Untere Denkmalbehörde versagte Genehmigung für PV-Anlage
Die Landeshauptstadt Düsseldorf als zuständige untere Denkmalschutzbehörde wollte die erforderliche denkmalrechtliche Erlaubnis nicht erteilen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf verurteilte sie allerdings dazu, weil es davon ausging, dass der Denkmalschutz nur noch in Ausnahmefällen schwerer wiegt als das öffentliche Interesse am Ausbau der Solarenergie, welchem das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine sehr hohe Priorität einräumt. Die Stadt wollte das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht hinnehmen und zog vor das Oberverwaltungsgericht in Münster.
Dessen Richter bekamen zugleich einen weiteren Fall vorgelegt, in dem es um einen vergleichbaren Streit in Siegen ging: Auch dort wollte eine Eigentümerin auf ihrem Wohnhaus eine Solaranlage installieren lassen. Bei dem Haus handelt es sich um ein ehemaliges Schulgebäude, das als Baudenkmal geschützt ist. Wie auch im Düsseldorfer Fall, hatte sich die Eigentümerin eine denkmalschonende Gestaltung für die PV-Anlage ausgesucht. Die Stadt hatte aber auch hier die denkmalrechtliche Genehmigung verweigert. Die Klage der Eigentümerin vor dem Verwaltungsgericht war allerdings erfolglos geblieben.
Vorinstanzen entschieden unterschiedlich
Das Oberverwaltungsgericht Münster überzeugte die Argumentation des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts am Ende mehr. Es entschied, dass die Stadt Siegen ebenso wie die Stadt Düsseldorf die denkmalrechtliche Genehmigung für die PV-Anlage erteilen muss. Das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiege in beiden Fällen die Belange des Denkmalschutzes, stellte das OVG fest. Es berief sich, wie zuvor schon die Düsseldorfer Richter, auf eine im Juli 2022 in Kraft getretene Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz. Danach sollen, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.
Das bedeutet auch, dass der Bau von Solarzellen in der Regel ein höheres Gewicht hat als der Denkmalschutz, wie das Urteil des OVG zeigt. Die Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis dürfe nur ausnahmsweise versagt werden, wenn besondere Umstände des Denkmalschutzes der Errichtung von Solaranlagen entgegenstehen. Ob solche besonderen Umstände vorliegen, hängt davon ab, aus welchen Gründen das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wurde, erklärten die obersten Verwaltungsrichter des Landes. In den vorliegenden Fällen sah man solche besonderen Umstände nicht als gegeben an.
PV auf Denkmal nur im Ausnahmefall nicht zulässig
Im Düsseldorfer Fall schützt der Denkmalschutz das einheitliche äußere Erscheinungsbild der Golzheimer Siedlung. Dieses würde aber durch die geplanten, in die bestehende Dachstruktur eingefügten und farblich angepassten Solarpaneele nicht entscheidend eingeschränkt, befand das Gericht – zudem die Anlage auch nur am Rande, in zweiter Reihe und in Teilausschnitten wahrnehmbar sei. Außerdem liege die fragliche Dachfläche auch nicht in einer der von der Satzung geschützten Sichtachsen und beeinträchtige die rheinseitige Silhouette der Siedlung nicht.
Noch einfacher fanden die Richter den Fall aus Siegen: Die ehemalige Schule wurde unter Denkmalschutz gestellt, weil ihr Baukörper als Kapellenschule mit vorhandenem Dachreiter schützenswert ist. In dieses schützenswerte Erscheinungsbild des Hauses könne die PV-Anlage nach Ansicht der Richter gar nicht eingreifen. Die Dachfläche und ihre Gestaltung spielten nämlich für die Unterschutzstellung des Gebäudes keine Rolle. Selbst wenn auch die Schieferdachfläche als denkmalwertbegründend angesehen würde, spräche das nicht gegen die Solaranlage, befand das Gericht.
Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.
Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.
Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel nach seiner Veröffentlichung nicht mehr aktualisiert wird. Das Veröffentlichungsdatum ist über der Überschrift angegeben.